Wie kann die Anstellung von Menschen mit psychischer Erkrankung gelingen?

Für Arbeitgeber kann die Anstellung von neuen Mitarbeitenden mit einer psychischen Erkrankung herausfordernd sein und verschiedene Fragen mit sich bringen.

Wie es gut gelingen kann, lesen Sie hier.

Offenheit und vorurteilsfreier Umgang

Für eine erfolgreiche Anstellung ist Offenheit gegenüber psychischen Erkrankungen auf Seiten der Arbeitgeber besonders wichtig. Arbeitgeber sollten möglichst vorurteilsfrei in den Kontakt gehen und sich auf ein gemeinsames Arbeiten einlassen.

Manchmal ist es gut, nicht zu viel über die Erkrankung zu wissen bzw. wissen zu müssen, sondern sich auf das zu konzentrieren, was für den Arbeitsplatz relevant ist.

„Man muss sich einfach darauf einlassen."
(Geschäftsführerin, Mittleres Unternehmen, Verarbeitendes Gewerbe)

Stimme einer Betroffenen/eines Betroffenen

 

„Gebt uns eine Chance.“ (Lilli F.)

 

Stimme einer Betroffenen/eines Betroffenen

 

„Ich bin nicht vollkommen arbeitsunfähig durch meine Erkrankung – ich kann noch was.“ (Kamran R.)

 

Passende Arbeitsbedingungen finden

Passend meint hier, dass Arbeitsbedingungen und Fähigkeiten der neuen Mitarbeitenden zusammenpassen. Hier hilft es, ressourcenorientiert und nicht defizitorientiert zu denken, (d.h. „Was kann sie?“ anstelle von „Was kann sie nicht?“).

Um herauszufinden, ob und welche Unterstützung und/oder Anpassungen der Arbeitsbedingungen die neue Mitarbeiterin/der neue Mitarbeiter braucht, hilft es, diese Fragen direkt anzusprechen und konkret nachzufragen, was sie/er benötigt oder sich wünscht. Wurde die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter bei der Vermittlung durch externe Dienstleister unterstützt, kann es helfen, diese einzubeziehen.

Wichtig: Sind Gespräche mit Dritten über die neue Mitarbeiterin/den neuen Mitarbeiter geplant, muss vorher das Einverständnis der betreffenden Person eingeholt werden.

„Mir ist es wichtig, immer vorher mit der Arbeitsvermittlerin zu sprechen und zu fragen, ob und was ich beachten muss.“
(Geschäftsführerin, Mittleres Unternehmen, Verarbeitendes Gewerbe)

Gewünschte Anpassungen können auf Arbeitgeber zunächst ungewohnt oder schwer umsetzbar wirken. Auch hier gilt: Wenn möglich, darauf einlassen und ausprobieren, ob es funktioniert.

Am allerbesten war wirklich der Herr S., der für exakt für 2 Stunden und 23 Minuten täglich arbeiten wollte, wo wir am Anfang wirklich gesagt haben: ‚Ach du meine Güte, das wird ja eine Vollkatastrophe. Das ist unmöglich.‘ Wir mussten einfach umdenken hier. Das haben wir getan. Und es klappt wunderbar.“

(Geschäftsführerin, Mittleres Unternehmen, Verarbeitendes Gewerbe)

Stimme einer Betroffenen/eines Betroffenen

 
„Meine gewünschten Anpassungen sind nicht utopisch, manchmal reicht schon eine kleine Veränderung der Abläufe.“ (Ferdinand G.)

 

Arbeiten auf Probe

Um zu testen, ob Arbeitgeber und neue Mitarbeitende zueinander passen, bietet sich ein erstes Probearbeiten oder ein „Probetag“ an. So können beide Seite im Arbeitsalltag austesten, ob ein Arbeitsverhältnis möglich ist.

Denn: Das Arbeitsumfeld (Arbeitsort und Kollegen) ist wichtig für die psychische Gesundheit - auch unabhängig von einer bestehenden Erkrankung.

„Dafür gibt es doch auch den Probetag. Wenn es nicht funktioniert, dann eben nicht. Und das ist ganz egal, ob er psychisch krank ist oder nicht.“

(Geschäftsführerin, Mittleres Unternehmen, Verarbeitendes Gewerbe)

Stimme einer Betroffenen/eines Betroffenen

 

„Wollen wir es zusammen versuchen?“ (Fatih L.)

 

Direkte Unterstützungsperson zu Beginn

Hilfreich kann auch sein, wenn neue Mitarbeitende in der ersten Zeit eine direkte Ansprechperson im Team haben, die bei Fragen und Herausforderungen unterstützen kann.

Hier geht es nicht um eine „Betreuung“, sondern vielmehr um kollegiale Unterstützung - von Arbeitnehmer zu Arbeitnehmer und auf Augenhöhe.

„Wenn es Menschen gibt, die unsicher sind, dann stelle ich jemanden zur Seite, der dann unterstützt, wenn man nicht weiterkommt. Man muss psychisch Kranke nicht betüdeln. Aber einfach ein bisschen unterstützen.“

(Geschäftsführerin, Mittleres Unternehmen, Verarbeitendes Gewerbe)

Direkte Ansprechpersonen zu Unterstützung bei Arbeitsbeginn sind können allen neuen Mitarbeitenden den Einstieg erleichtern, ganz unabhängig von einer psychischen Erkrankung.

Kommunikation mit dem Team

Kommt eine neue Mitarbeiterin/ein neuer Mitarbeiter mit einer psychischen Erkrankung ins Team, stellt sich häufig die Frage, inwiefern das Team über die Erkrankung zu informieren ist.

Die Entscheidung, ob eine psychische Erkrankung gegenüber Dritten offengelegt wird, ist nicht immer einfach. In einem vertrauensvollen Gespräch kann diese Frage thematisiert werden. Die Entscheidung über die Offenlegung liegt immer bei der betroffenen Person.  Wird eine Offenlegung erwogen, sollten die Vor- und Nachteile individuell bedacht werden.

Einerseits kann eine Offenlegung die Akzeptanz im Team fördern, wenn Kolleginnen und Kollegen die besonderen Arbeitsbedingungen oder individuelle Aspekte (z. B. Verhalten) besser verstehen und einordnen können. Manchen Arbeitgebern ist es wichtig, das Team über die Erkrankung zu informieren, auch um hierüber eine bessere Rücksichtnahme auf die betreffende Person beim Arbeitsstart zu ermöglichen.

Andererseits kann eine Offenlegung für Betroffene mit negativen Konsequenzen einhergehen, wie z. B. Ablehnung, Misstrauen oder Tratsch. Bereits das Gefühl „Ich habe eine Sonderrolle und werde anders behandelt“ kann belastend sein. Arbeitgeber sollten diese Bedenken ernst nehmen. Eine ungewollte Offenlegung durch die Führungskraft ohne vorherige Absprache oder über den Willen der betreffenden Person hinweg, sollte jedenfalls vermieden werden.

„Wenn er einfach Leute hat, die einen nicht auf die Krankheit reduzieren, sondern ihn so annehmen, wie er ist, und damit ist gut. Die dann nicht ständig sagen: ‚Der hat doch was, mit dem müssen wir vorsichtig sein, mit dem was wir sagen und tun‘. Das ist wie mit jedem anderen behinderten Menschen, normal umgehen. Und einen nicht auf die Erkrankung reduzieren. Sonst fühlt er sich auch nicht wohl hier.“

(Geschäftsführer, Mittleres Unternehmen, Gesundheits- und Sozialwesen)

Nicht immer ist eine Offenlegung im Team notwendig.

Wenn es jedoch zur (idealerweise gemeinsamen) Entscheidung der Offenlegung kommt, sollte der Bezug zur Arbeit im Vordergrund stehen. Das heißt, es sollten nur die Informationen geteilt werden, die für das Team relevant sind (z. B. längere Pausenzeiten aufgrund schneller Erschöpfung).

Wichtig bei einer Offenlegung ist, dass die betroffene Mitarbeiterin/der betroffene Mitarbeiter nicht allein durch die psychische Erkrankung definiert wird. Die Erkrankung ist ein Teil dieser Person, macht sie jedoch nicht vollständig aus.

Akzeptanz von Scheitern

Auch wenn eine Anstellung einmal nicht sofort oder reibungslos klappen sollte, sollten Sie sich davon nicht abschrecken lassen. Beim nächsten Mal klappt es vielleicht viel besser.

Wenn es nicht funktioniert, dann funktioniert es nicht, aber zumindest muss man immer den Versuch wagen.“

(Geschäftsführer, Mittleres Unternehmen, Gesundheits- und Sozialwesen)

Entscheidend ist, ob ein Arbeitsplatz zur neuen Mitarbeiterin/zum neuen Mitarbeiter und ihren/seinen Fähigkeiten sowie der aktuellen Situation passt.

Ein Arbeitgeber sollte auch ein Gespür dafür haben, ob das Unternehmen zu der Person passt. Der Versuch, sie/ihn für die vorgegebenen Strukturen passend zu machen, kann dagegen schädlich sein und ist häufig nicht nachhaltig - für beide Seiten.