Was kann ich tun, wenn ich eine psychische Krise bei Mitarbeitenden erkenne?

Psychische Krisen bei Mitarbeitenden können in verschiedenen Lebensphasen auftreten.

Diese Krisen zeigen sich häufig in individuellen Verhaltensänderungen wie z. B. erhöhter Ermüdbarkeit, gesteigerter Aggression oder Rückzug, sowie in sozialen Interaktionen, etwa durch Konflikte mit Kolleginnen oder gegenüber Kunden. Es ist wichtig, dass Arbeitgeber und Führungskräfte frühzeitig Anzeichen von psychischen Krisen erkennen und geeignete Unterstützung anbieten.

Wie das funktionieren kann, lesen Sie hier.

Wahrnehmung im Einzelgespräch direkt ansprechen

Wenn Führungskräfte eine psychische Belastung oder eine psychische Krise bei Mitarbeitenden bemerken, sollte dies zeitnah in einem Gespräch mit der betreffenden Person thematisiert werden. Im Gespräch kann dann gemeinsam erarbeitet werden, welche Unterstützung die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter benötigt, um ihre/seine Gesundheit und Arbeitskraft langfristig zu erhalten.

„Wir gehen dann mit den Mitarbeitenden in ein Gespräch und fragen: ‚Ok, wie wollen wir damit umgehen?‘“

(Geschäftsführerin, Mittleres Unternehmen, Information und Kommunikation)

In ein erstes Gespräch können auch weitere Personen aus dem Unternehmen einbezogen werden, die eine vermittelnde Rolle übernehmen, wie beispielsweise eine Betriebsärztin oder Mitarbeitende des betrieblichen Sozialdienstes.

„Ich bin in meiner Funktion [als Betriebsärztin] eine Art Anwältin der Mitarbeitenden; ich weiß auch viel mehr und versuche da zu vermitteln.“
(Betriebsärztin, Großunternehmen, Produktion)

In Einzelfällen kann es hilfreich sein, das soziale Umfeld der betroffenen Mitarbeitenden oder die behandelnde Ärztin in die Lösungsfindung einzubeziehen. Entscheidend ist, dass die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter die dritte Person akzeptiert und ein Vertrauensverhältnis besteht. Bei professionellen Personen, wie beispielsweise der Hausärztin, kann es sinnvoll sein, eine Schweigepflichtsentbindung unterzeichnen zu lassen.
Der Einbezug der dritten Person sollte immer nur mit vorherigem Einverständnis durch die Mitarbeiterin/den Mitarbeiter erfolgen.

„Der betroffene Kollege hat gesagt, wenn es Ihnen hilft, sprechen Sie doch mit meinem Arzt. Er hat eine Entbindung von der Schweigepflicht unterschreiben lassen und ich durfte mich mit dem Arzt austauschen. Er hat mir alle Angst genommen und alles war gut.“

(Beauftragte für BGM und BEM, Großunternehmen, Finanzdienstleister)

Wenn Sie entscheiden, weitere Personen in das Gespräch einzubeziehen, achten Sie darauf, die Anzahl der Gesprächsteilnehmenden auf Seiten des Arbeitgebers überschaubar zu halten. Es sollte kein Gefühl der „Übermacht“ entstehen.

Gemeinsame Lösungen finden

Um Mitarbeitende in einer psychischen Krise zu unterstützen, kann es hilfreich sein, die Arbeitsbedingungen an ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen - im Rahmen der finanziellen und arbeitsrechtlichen Möglichkeiten.

Häufig wird in solchen Fällen die Arbeitszeit reduziert. Ebenfalls können zusätzliche Pausen und Erholungszeiten während der Arbeitszeit oder eine flexible Abwechslung von freien Tagen und Arbeitstagen (bei Teilzeitstellen) unterstützend wirken. Manchmal kann bereits das Umstellen des Schreibtisches helfen, etwa um nicht mit dem Rücken zur Tür zu sitzen.

Grundsätzlich gilt: Es ist hilfreich, gewohnte Abläufe zu hinterfragen.

Sollte ein Weiterarbeiten aktuell nicht möglich sein, kann auch eine zeitweise Krankschreibung sinnvoll sein.
Wichtig ist, dass die Lösung gemeinsam erarbeitet und nicht „von oben herab“ vorgegeben wird. Wenn eine vermittelnde Person im Gespräch mit anwesend ist, können die Möglichkeiten gemeinsam besprochen und auf ihre Vor- und Nachteile hin geprüft werden. Dieser Teil des Gesprächs kann ausschließlich zwischen Mitarbeiterin/Mitarbeiter und der vermittelnden Person stattfinden. Dies ist besonders empfehlenswert, wenn persönliche Aspekte in die Lösungsfindung einfließen wie etwa geringe soziale Anbindung außerhalb der Arbeit.

Bei der Anpassung von Arbeitsbedingungen sollte auch darauf geachtet werden, die Bedürfnisse des Teams nicht aus dem Blick zu verlieren. Eine Balance zwischen erforderlichen Anpassungen für die Mitarbeiterin/den Mitarbeiter in der Krise und den Bedürfnissen des Teams ist zwar häufig herausfordernd, aber elementar für die zukünftige Zusammenarbeit.

„Es ist aber genauso wichtig als Führungskraft zu gucken, dass das Team nicht das Gefühl hat, jetzt gehen alle Augen der Führung nur auf die erkrankte Kollegin.“

(Führungskraft, Großunternehmen, öffentlicher Dienst)

Neben betriebsinternen Lösungen kann es hilfreich sein, Mitarbeitenden in einer psychischen Krise dazu zu ermutigen, externe Unterstützung in Anspruch zu nehmen, beispielsweise durch Sozialpsychiatrische Dienste oder eine Psychotherapie. Wichtig ist hier, dass ein vertrauensvoller Umgang zwischen den Gesprächspersonen besteht. Ein Hinweis auf die Inanspruchnahme externer Hilfe kann sonst als übergriffig wahrgenommen werden. Für ein solches Gespräch kann eine Betriebsärztin/ein Betriebsarzt oder die betriebliche Sozialberatung ein geeigneter Ansprechpartner sein.

"Ich sehe meine Aufgabe darin, dem Mitarbeiter klarzumachen, dass die Krise oft nicht alleine zu lösen ist und dass man Hilfe in Anspruch nehmen darf und vielleicht auch muss.“

(Betriebsärztin, Großunternehmen, Gesundheits- und Sozialwesen)

Im Gespräch können externe Unterstützungsangebote besprochen und, wenn gewünscht, die nächsten Schritte gemeinsam geplant werden, wie zum Beispiel ein gemeinsamer Anruf beim Sozialpsychiatrischen Dienst.
Eine Übersicht zu Unterstützungsangeboten für Menschen in psychischen Krisen finden Sie hier.

Rechtzeitig das Gespräch suchen

Manchmal kann es schwierig sein, zu erkennen, wann eine Unterstützung notwendig ist oder „wann es bereits zu spät ist“ - das gilt sowohl für Führungskräfte als auch für die Personen in der Krise selbst. Das ist ganz natürlich. Mitarbeitende wie Vorgesetzte profitieren in solchen Situationen, wenn sie selbstreflektiert sind, empathisch aufeinander zugehen und eine Sensibilität für die Bedeutung psychischer Gesundheit haben.
Fortlaufender Kontakt

Nach einem ersten Gespräch und etwaigen Anpassungen ist es hilfreich, weiterhin regelmäßig mit der Mitarbeiterin/dem Mitarbeiter in Austausch zu bleiben.

So können die aktuellen Arbeitsbedingungen auf ihre Effektivität überprüft und ggf. noch besser an die Bedürfnisse angepasst werden:

„Wenn man immer im Gespräch bleibt, dann haben wir ganz gute Chancen, dass es funktioniert. Das A und O ist immer die gegenseitige Kommunikation.“

(Personaler, Großunternehmen, öffentlicher Dienst)

Es empfiehlt sich, beim Erstgespräch sowie in weiteren Gesprächen jeweils einen Folgetermin zu vereinbaren. So wird sichergestellt, dass dieser auch tatsächlich stattfindet. Zudem kann gemeinsam festgelegt werden, wie lange eine Anpassung der Arbeitsbedingungen „ausprobiert“ wird, bevor eine Bewertung erfolgt.

Stimme einer Betroffenen/eines Betroffenen

 

„Dranbleiben. Immer Dranbleiben.“  (Elenya M.)

 

Ängste nehmen

Eine psychische Krise geht oft mit einer verminderten Arbeitsfähigkeit und damit verbundenen Reduzierung von z. B. Arbeitszeit oder Verantwortungsbereichen einher.

In unserer Gesellschaft nicht oder eingeschränkt arbeitsfähig zu sein, ist oft mit Scham („Ich arbeite nicht mehr, also bin ich weniger wert“), Schuld („Was habe ich falsch gemacht, dass ich in einer Krise bin?“) oder schlechtem Gewissen („Ich lasse meine Kollegin im Stich“) verbunden. Grund hierfür ist, dass ein sehr großer Teil unserer Gesellschaft mit dem hohen Wert von Arbeit sozialisiert worden ist.

Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht und sollten versuchen, Mitarbeitende in einer psychischen Krise zu entlasten. Es kann hilfreich sein, die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust zu nehmen, das Zugehörigkeitsgefühl zu stärken und keinen Zeitdruck aufzubauen. Eine positive Botschaft wäre etwa: „Wir warten auf Sie, bis Sie gesund sind, und werden die Arbeit während ihrer Abwesenheit entsprechend verteilen“.

„Die Mitarbeiterin hatte ein massiv schlechtes Gewissen. Daraufhin haben wir gesagt: ‚Die Arbeit verteilen wir unter uns. Das wird schon alles gemacht.‘ Ich habe ihr außerdem die Auswertung der Woche zugeschickt mit der Info: ‚Schauen Sie, das ist erledigt. Ihre Mandanten sind gemacht.‘“
(Führungskraft, Mittleres Unternehmen, Dienstleistungen Recht)

Beitrag einer/eines Betroffenen

 

„Danke. Das nimmt mir sehr viel Druck“  (Felix C.)