Wie kann die Weiterbeschäftigung von Mitarbeitenden mit psychischer Erkrankung funktionieren?
Die Weiterbeschäftigung von Mitarbeitenden mit psychischer Erkrankung ist durch das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) gesetzlich geregelt. Zusätzlich zu den dort verankerten Vorgaben können Arbeitgeber weitere Maßnahmen durchführen, um die Eingliederung bestmöglich zu gestalten. Welche das sein können, lesen Sie hier.
Hier finden Sie weiterführende Informationen zum BEM.
Für eine erfolgreiche Eingliederung ist es wichtig, dass bei Arbeitgebern und Führungskräften eine grundlegende Bereitschaft und Motivation zur Eingliederung vorliegt. Wichtig ist, Arbeitgeber und Führungskräfte dafür zu sensibilisieren, dass Genesung Zeit braucht und (leichtere) Einschränkungen auch weiterhin vorhanden sein können. Ein fester Zeitplan funktioniert häufig nicht und setz die betreffenden Personen unter zusätzlichen Druck.
Ein Wiedereingliederungsplan sollte daher mit längeren Zeiträumen und idealerweise auch etwas „flexibel“ aufgestellt sein.
Danke für die Bereitschaft. Für die Offenheit. Für die Möglichkeit.“ (Davide W.)
Es kann helfen, das BEM-Gespräch wie eine Fallkonferenz anzulegen. Das heißt, zusätzlich zu Arbeitgeber (oder anderen BEM-beauftragten Personen) und der betreffenden Person auch wichtige Akteure einzubeziehen. Dazu sollte vorab gemeinsam überlegt werden, wer an den Gesprächen teilnehmen sollte.
Welche (Fach)Personen schlussendlich beim (ersten) Gespräch dabei sind, kann sehr unterschiedlich sein. Wichtig ist, dass die wiedereinzugliedernde Person mit der Anwesenheit einverstanden ist. Eine vertrauensvolle Atmosphäre ist essenziell für ein zielführendes BEM.
Die Betriebsärztin/der Betriebsarzt kann als Berater für Arbeitgeber als auch Unterstützung für Mitarbeiterin/Mitarbeiter mit psychischer Erkrankung dienen. Durch das betriebliche als auch medizinische Wissen kennt sie/er beide Seiten und kann zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vermitteln.
Auch Mitarbeitende aus dem betrieblichen Sozialdienst können wertvolle Unterstützung leisten bei der Vermittlung zwischen Arbeitgebern oder Führungskräften und Arbeitnehmern, etwa wenn es um das Verständnis der konkreten Auswirkungen einer psychischen Erkrankung auf das Arbeitssetting geht.
Teilweise kann es helfen, externe Personen (z. B. aus Beratungsstellen) oder aus dem persönlichen Umfeld der betreffenden Person einzubeziehen, um eine weitere Perspektive auf den BEM-Prozess zu bekommen.
Wird eine Mitarbeiterin/ein Mitarbeiter nach längerer Abwesenheit eingegliedert, betrifft das in den allermeisten Fällen auch das Team. Hier ist eine Kommunikation über das Vorgehen besonders wichtig. Ist ein Gespräch mit dem Team geplant, ist die betreffende Person über die Inhalte zu informieren. Wenn die betreffende Person dies wünscht, kann sie am Gespräch teilnehmen.
Für das Gespräch mit dem Team sollte gut überlegt werden, ob die genaue Erkrankung kommuniziert werden soll. Die Entscheidung, ob eine psychische Erkrankung im Team offengelegt wird, sollte letztendlich immer bei der betroffenen Person liegen. Häufig ist es auch nicht relevant, die exakte Diagnose zu kommunizieren, sondern darzustellen, was eine Eingliederung konkret für das Team und die Arbeitsaufgaben bedeutet.
Eine Offenlegung kann Akzeptanz im Team fördern, da Kolleginnen und Kollegen das veränderte Verhalten verstehen und einordnen können. Häufig ist es Arbeitgebern wichtig, dem Team von der Erkrankung zu erzählen, um Betroffenen mehr Rücksicht beim Arbeitsstart zu ermöglichen. Viele Betroffene haben dennoch Angst vor diesem Schritt. Eine Offenlegung bedeutet für Betroffene häufig negative Konsequenzen, wie z. B. Ablehnung, Misstrauen oder Tratsch. Auch schon das Gefühl „Ich habe eine Sonderrolle und werde anders behandelt“ kann belastend sein. Nehmen Sie diese Ängste ernst. Vielleicht ist eine Offenlegung im Team auch gar nicht notwendig. Eine ungewollte Offenlegung durch die Führungskraft ohne vorherige Absprache oder über den Willen der betreffenden Person hinweg, sollte möglichst vermieden werden.
„Ich kommuniziere das im Team meistens relativ offen, wenn ich einen Wiedereingliederungsplan habe. Ohne die Krankheitsdiagnose zu benennen. Aber zu sagen: ‚So sieht im Moment der Wiedereingliederungsplan in der ersten, zweiten, dritten Woche aus. […] Und da ist wichtig, damit keine Gerüchte entstehen oder es Getuschel hintenrum gibt. Die Wiedereingliederung ist Teil vom Team.“
„Wollen wir es zusammen versuchen?“ (Fatih L.)
Hilfreich kann auch sein, wenn neue Mitarbeitende in der ersten Zeit eine direkte Ansprechperson im Team haben, die bei Fragen und Herausforderungen unterstützen kann.
Hier geht es nicht um eine „Betreuung“, sondern vielmehr um kollegiale Unterstützung - von Arbeitnehmer zu Arbeitnehmer und auf Augenhöhe.
„Wenn es Menschen gibt, die unsicher sind, dann stelle ich jemanden zur Seite, der dann unterstützt, wenn man nicht weiterkommt. Man muss psychisch Kranke nicht betüdeln. Aber einfach ein bisschen unterstützen.“
Trotzdem sollte bei den Gesprächen mit dem Team immer klar kommuniziert werden, dass die Verantwortung für den Erfolg der Maßnahme bei der Führungskraft und nicht beim Team liegt:
Kommt eine neue Mitarbeiterin/ein neuer Mitarbeiter mit einer psychischen Erkrankung ins Team, stellt sich häufig die Frage, inwiefern das Team über die Erkrankung zu informieren ist.
Die Entscheidung, ob eine psychische Erkrankung gegenüber Dritten offengelegt wird, ist nicht immer einfach. In einem vertrauensvollen Gespräch kann diese Frage thematisiert werden. Die Entscheidung über die Offenlegung liegt immer bei der betroffenen Person. Wird eine Offenlegung erwogen, sollten die Vor- und Nachteile individuell bedacht werden.
Einerseits kann eine Offenlegung die Akzeptanz im Team fördern, wenn Kolleginnen und Kollegen die besonderen Arbeitsbedingungen oder individuelle Aspekte (z. B. Verhalten) besser verstehen und einordnen können. Manchen Arbeitgebern ist es wichtig, das Team über die Erkrankung zu informieren, auch um hierüber eine bessere Rücksichtnahme auf die betreffende Person beim Arbeitsstart zu ermöglichen.
Andererseits kann eine Offenlegung für Betroffene mit negativen Konsequenzen einhergehen, wie z. B. Ablehnung, Misstrauen oder Tratsch. Bereits das Gefühl „Ich habe eine Sonderrolle und werde anders behandelt“ kann belastend sein. Arbeitgeber sollten diese Bedenken ernst nehmen. Eine ungewollte Offenlegung durch die Führungskraft ohne vorherige Absprache oder über den Willen der betreffenden Person hinweg, sollte jedenfalls vermieden werden.
„Wenn er einfach Leute hat, die einen nicht auf die Krankheit reduzieren, sondern ihn so annehmen, wie er ist, und damit ist gut. Die dann nicht ständig sagen: ‚Der hat doch was, mit dem müssen wir vorsichtig sein, mit dem was wir sagen und tun‘. Das ist wie mit jedem anderen behinderten Menschen, normal umgehen. Und einen nicht auf die Erkrankung reduzieren. Sonst fühlt er sich auch nicht wohl hier.“
Nicht immer ist eine Offenlegung im Team notwendig.
Wenn es jedoch zur (idealerweise gemeinsamen) Entscheidung der Offenlegung kommt, sollte der Bezug zur Arbeit im Vordergrund stehen. Das heißt, es sollten nur die Informationen geteilt werden, die für das Team relevant sind (z. B. längere Pausenzeiten aufgrund schneller Erschöpfung).
Wichtig bei einer Offenlegung ist, dass die betroffene Mitarbeiterin/der betroffene Mitarbeiter nicht allein durch die psychische Erkrankung definiert wird. Die Erkrankung ist ein Teil dieser Person, macht sie jedoch nicht vollständig aus.
„Das Team braucht Bestärkung, dass sie das nicht alleine machen müssen. Sie brauchen die Führung, die sagt: ‚Ich habe einen Plan und ihr seid mit dabei, das ist eure Rolle. Aber ihr seid nicht für die Wiedereingliederung zuständig.‘“
Zeigt sich ein deutlich abwehrendes Verhalten gegenüber einer Eingliederung (und der damit verbundenen Anpassungen), sollte die Rückkehr in dieses Team überdacht und eine andere Lösung gefunden werden.
„Wenn das Umfeld so ausgerichtet ist, dass man sagt: ‚Psychische Erkrankung, die akzeptieren wir hier nicht.‘ Dann bringt es auch nichts, das Team zu verdonnern, die Person wieder aufzunehmen. Das führt nur in eine ganz andere Richtung.“